Unsere verlorenen Wurzeln

Gartentherapeutin Joana Obenauff hat mit uns über die Natur
und ihre Bedeutung für den Menschen gesprochen.

Welche Verbindung hast du zur Natur?
Die Natur ist für mich ein Ort an dem die Welt ihr bedrohliches Potenzial verliert, die Seele sich ausruhen kann und der Körper und die Sinne aktiviert werden. Die Natur bietet für mich viele Möglichkeiten, mit ihr und dadurch mit mir selbst in Kontakt zu treten. Ich lausche dem Zwitschern der Vögel und dem Rauschen des Windes, streiche mit der Hand über Blätter und Blüten oder rieche Rosmarin und Minze, all meine Sinne werden dabei in Anspruch genommen.

Warum sind solche Naturerlebnisse für uns Menschen so wichtig?
Der Mensch ist Teil der Natur. Wir haben 99 % unserer Zeit auf Erden, als Jäger und Sammler in und mit der Natur gelebt. Diese Naturbezogenheit ist immer noch stark in uns verankert. Denn erst seit den letzten Jahrtausenden leben wir in städtischen Zivilisationen. Diese Entwicklung geht immer schneller voran und wir kommen körperlich und seelisch mit den Anforderungen der modernen Zeit oft nicht mehr klar. Unser natürliches Bedürfnis nach Natur geht unter Vorschriften und Zwängen des Alltags verloren. Mit der Folge, dass wir unseren Kontakt zur Natur, absichtlich oder unbeabsichtigt, immer mehr vernachlässigen und uns ihrer Bedeutung für unser Leben nicht mehr bewusst sind. Je distanzierter wir aber unser Leben von der Natur führen, umso bedeutender wird sie für unsere natürliche Gesundheit. Durch Inanspruchnahme all unserer Sinne kann die Natur einen entscheidenden Beitrag für unsere Selbstheilung leisten.

Wie genau muss ich mir das vorstellen?
Bei der aktiven Auseinandersetzung mit der Natur werden Kopf und Körper aktiviert,
Stresspegel, Blutdruck, Muskeltonus und Atemfrequenz sinken, die Abwehrkräfte
werden gestärkt und alle Sinne stimuliert. In der Natur treten Stress, Frust, Hektik
und die Anforderungen des Alltags in den Hintergrund. Sorgen und Schmerzen können für einen Moment vergessen werden. Die Natur erfüllt auch unseren Wunsch nach Ruhe, Entspannung und Zeit, in der wir ganz wir selbst sein können. Die Vielfalt der Formen, Materialien, Farben, Düfte und Geschmäcker regt die Fantasie an, sich mit der Welt und auch mit sich selbst wieder mehr zu befassen.

Wie ebnest du als Gartentherapeutin anderen den Weg zurück zur Natur?
Der Weg zurück zur Natur beginnt mit der Wiederinanspruchnahme aller unserer Sinne und mit der bewussten Auseinandersetzung mit unserer lebenden Umwelt. Das kann der eigene Balkon, das Grün vor der eigenen Haustür oder der Schulgarten sein. In meinen Angeboten geht es um die ganz konkrete und fokussierte Beschäftigung mit Erde und Pflanzen. Riechen, fühlen, hören und schmecken und das ganz losgelöst vom Alltag und im eigenen Tempo. Schon das erste selbst gesäte Samenkorn und die damit
verbundene Pflege und Sorgfalt oder das kreative Gestalten mit natürlichen Materialien können unsere Beziehung zur Natur wieder aufblühen lassen. Als Gartentherapeutin schaffe ich Situationen und Aktivitäten, in denen Alltag und Sorgen vergessen werden
können und die Sinne in den Vordergrund treten. Hierbei entfalten sich die vielfältigen positiven Wirkungen der Natur und unsere Selbstheilungskräfte werden in Gang gesetzt.

Welche besondere Wirkung hat Gartenarbeit auf Kinder und warum ist es so wichtig, sie hier aktiv werkeln zu lassen?
Der Aufenthalt im Freien spricht den Entdeckerdrang und die Experimentierfreude von Kindern an. Beim gemeinsamen Erleben und durch den Umgang mit lebenden Wesen erfahren Kinder eine sinnvolle Aufgabe, in der sie Verantwortung übernehmen und dabei in ihrer Selbstständigkeit und ihrem Selbstvertrauen gestärkt werden. Beim Gärtnern werden gleichfalls Kreativität und Konzentration geschult und die Koordination und Motorik werden trainiert. Der Garten ist eine der besten Vorbereitungen auf ein lebenslanges Lernen. Das Verständnis von natürlichen Kreisläufen wird gefördert und das Bewusstsein für ökologische Zusammenhänge
und gesunde Lebensmittel gestärkt. Kinder entwickeln durch den frühen Umgang mit der Natur ein Verständnis darüber, dass der Mensch auf seine Umwelt und deren Unversehrtheit angewiesen ist, und dass Natur geschützt werden muss.

Gartentherapie für jedermann
Für Privatpersonen sowie für Kinder- und Jugendeinrichtungen bietet Joana Obenauff Gartentherapiestunden sowie natur- und gartenbezogene Workshops, Projekttage und -wochen an. 

Im Mittelpunkt der Aktivitäten stehen gärtnerische und kreative Tätigkeiten im jahreszeitlichen Verlauf. Das säaen von Pflanzen und pflegen von Stauden und Kräutern sowie das kreative Gestalten mit natürlichen Materialien bieten hierbei abwechslungsreiche Erlebnisse. Ebenso begleitet und unterstützt Joana Einrichtungen bei der Durchführung von eigenen Gartenprojekten oder bei der Planung eines Schulgartens und informiert in Vorträgen und Seminaren über die Anwendungsgebiete und Möglichkeiten der Gartentherapie.